09.03.2015

Boko Harams Schwur an ISIS: Mehr als Symbolik

Am Samstag, den 7. März, fand die Frage, die viele in den letzten Monaten beschäftigte, ihre Antwort: Nigerias Boko Haram haben ISIS, auch als Islamischer Staat bekannt, die Treue geschworen. In den 48 Stunden seit der Veröffentlichung des Schwurs als Audiospur haben sich die Fragen nach der Bedeutung und den Auswirkungen vervielfacht, ebenso wie die Medienpräsenz Fachgelehrter. Boko Harams Schwur ist nicht trivial und die Auswirkungen sind so verschieden wie weitreichend. Ich werde untersuchen wie die Auswirkungen von den verschiedenen Konfliktseiten, nicht nur den involvierten Akteuren, am Besten wahrgenommen werden können.

Wird dies operative Auswirkungen haben?

Jegliche operative Unterstützung – hier definiert als Material oder Truppen – wird kaum aus ISIS Hauptwirkungsorten Syrien und Irak kommen. Vielmehr sind es die „Kolonien“ und Partner in Libyen, die operativ unterstützen würden, insbesondere da die wesentlichen Nord-/Süd-Handelsrouten entlang der Nigeria/Niger/Libyen Achse verlaufen. Boko Haram hat bereits stark von dieser Route profitiert und ISIS, die einen großen Teil der Handelsendpunkte in der MENA-Region kontrollieren, ist dadurch unvermeidlich. Der Hauptanteil des Handels läuft jetzt durch ISIS. Diese nördliche Handelsachse ist in den letzten Wochen und Monaten wertvoller geworden, da die östliche Route, die durch das Horn von Afrika läuft, immer schwieriger nutzbar wurde. Das liegt an der MJTF-Operation, die den östlichen Zugang einschränkt, an Al Shabaabs Schwierigkeiten und am Houthi/AQAP Konflikt im Jemen. Diese Entwicklungen stören den Handel vom und zum Osten aus Westafrika heraus und haben nahezu sicher gestellt, dass sich jegliche operative Unterstützung für Boko Haram auf die Nordachse beschränkt. Einige mögen argumentieren, dass die Beratung sich nicht nur aufs Operative beschränkt, sondern auch taktisch und strategisch ist. Das stimmt, aber der Treueeid wird diesen Aspekt des Konflikts nicht verändern, da Boko Haram bereits seit einiger Zeit von externen Erfahrungen profitiert hat und diese Änderungen bereits in den letzten zwölf Monaten sichtbar waren.

Wird es die Finanzen der beiden Organisationen beeinflussen?

Ja, wird es, obwohl es um die Finanzen beider Organisationen gar nicht so gut steht wie sie darstellen. Boko Haram hatte 2014 einen starken finanziellen Aufschwung, da sie Steuern und Handelsrouten kontrollieren konnten und Schmuggel einen steten Einkommensfluss garantierten. Mit den Routen um das Tschadsee-Becken, ein wichtige Schmuggel- und Handelsgebiet, sorgt Boko Harams Kontrolle für ein stetes Einkommen, das zusätzlich von 419-Scams, Geldwäsche und den typischen Plünderungen und Raubzügen in Kleinstädten (deren Erträge großteils an die für die Überfälle zuständigen Fußsoldaten gingen) ergänzt wird. Der Druck auf die östlichen Routen und die ausgeweitete Überwachung ihrer Aktivitäten hat die Stabilität des Einkommens ins Wanken und Boko Haram in finanzielle Schwierigkeiten gebracht.

Eingehende Recherchen zu ISIS haben gezeigt, dass es um die Finanzen dieser Organisation noch schlechter steht als angegeben und sie weiter schwinden. Trotz der „Kolonien“ haben die Attacken der Anti-IS-Koalition auch die Finanzen der Gruppe beschädigt. Der Schwur und die Annahme dessen – diese ist nur eine Formalität, da Verhandlungen bereits begonnen hatten – werden beiden Organisationen ermöglichen, bessere finanzielle Bedingungen für ihr gemeinsames Geschäft zu schaffen und gleichzeitig finanzielle Unterstützung und den Zugriff auf „neue“ Märkte für ihr Schmuggelgut zu sichern. Kurz gesagt, beide Organisationen verbessern dadurch ihre Einkommens-Strukturen.

Wird es die Kämpfer beeinflussen?

Es wird sicherlich einen Einfluss auf die Moral beider Gruppen haben. MOSECON hat Informationen gesammelt, die Stolz und Enthusiasmus sowie ein Willkommenheißen von ISIS-Unterstützern zeigen, wobei Unterstützer von Boko Haram sich bisher zurückhalten. Den stärksten Einfluss wird Boko Haram in der Rekrutierung sehen, die in letzter Zeit schwierig war. ISIS als Dachorganisation zu haben, wird Boko Haram ermöglichen, den Zusammenschluss mit einem glaubwürdigen, bekannten und erfolgreichen „Gewinner“ zu bewerben. Dies haben kleinere Gruppen in Libyen, Ägypten und anderswo vorgemacht und die Auswirkungen waren für sie von Vorteil. Indem sie sich mit ISIS assoziieren, gewinnen Boko Haram an Glaubwürdigkeit, die ihnen (trotz ihres Erfolges) aufgrund ihres brutalen Rufes bisher fehlte. Diese Glaubwürdigkeit wird Kämpfer stärker anziehen, egal ob es ihnen um Gehalt, Aufstieg oder Erfolg geht.

Wird es die MJTF-Operation in Nigeria beeinflussen?

Nicht wirklich. Boko Haram hat kürzlich neue Waffen erhalten, und das sagt viel über die Maßnahmen gegen die Handelsrouten. Es sollte einen Einfluss auf die Kämpfe haben, aber nicht ausreichend, um das Blatt sofort zu wenden. Boko Haram hat die Taktik, den Osten zu plündern und den Westen zu bombardieren, trotz der Erfolge der MJTF beibehalten und wir können davon ausgehen, dass sie dies auch weiterhin tun werden. Daher muss die MJTF dafür sorgen, dass ihre Strategie effektiv ist und ordentlich eingesetzt wird. Der Schwur an ISIS ist für Boko Haram weder ein Rettungsboot noch bedeutet er, dass ein schlussendlicher Erfolg MJTFs das Ende von Boko Haram sein wird. Er mag kleinere Variablen der Operation beeinflussen, aber nicht genug, um die derzeitige Situation zu verändern.

Was sind die internationalen Auswirkungen?

Es gibt zwei Aspekte, die nach der Veröffentlichung des Schwurs hervorstehen: Der erste betrifft Al Shabaab, der zweite die Vereinten Nationen.

Shabaab hat eine schwere Zeit hinter sich. Ihr Anführer wurde getötet und ihre Geheimdienstchefs wurden ebenfalls getötet oder stellten sich selbst. Dazu kommt, dass Al Shabaabs Verbindungen zu AQAP diese dazu veranlassten, Al Shabaabs beste Kämpfer für ihre eigenen Schlachten im Jemen zu nutzen. Dadurch blieben weniger erfahrene und kompetente Kämpfer übrig, die Schlachten in Somalia und Kenia fortzuführen. Zusammen mit den AQAP-Überläufern zu ISIS übt Boko Harams Schwur zusätzlichen Druck auf Shabaab aus entweder ihre Verbindungen zu Al Qaeda beizubehalten oder sich ebenfalls ISIS anzuschließen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Al Shabaab, trotz ihrer Schwierigkeiten, nach wie vor viel zu bieten hat, insbesondere logistisch in Somalia und Kenia sowie den Durchgang zum Jemen. Sie könnten in der Position sein, sich dem Höchstbietenden anzubieten.

Boko Harams Schwur verändert den Rahmen, in dem die AU-Resolution gegen Boko Haram – gesponsert von Frankreich – dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen präsentiert werden wird. ISIS Präsenz in Nigeria, durch Boko Haram, wird sehr wahrscheinlich die Einführung der Resolution beeinflussen, die es internationalen Truppen erlauben würde, unter dem UN-Mandat in der Region des Tschadsee-Beckens zu operieren. Falls solch eine Resolution gegen ISIS alleine formuliert wäre, würde ihre Einführung die Debatte um die ISIS-Frage in Syrien betreffen und ob die UN eine Resolution einführen kann, die es ihnen erlaubt in Syrien zu intervenieren. Ein Umstand, dem Russland bisher widersprochen hat. Wenn die Resolution sich weiterhin nur auf Boko Haram bezieht, dann könnte sie ohne große Schwierigkeiten eingeführt werden. Eine solch strenge Abgrenzung von ISIS ist jedoch schwer vorstellbar – zumindest diplomatisch – und der Schwur beeinflusst definitiv die Dynamik des Tschadsee-Problems im UNSC. In keinem Fall wird Boko Harams Schwur an ISIS das Aufkommen eines „Super-Kalifats“ beschleunigen noch die Art und Weise wie die Dinge in Nigeria, Syrien, Irak oder Libyen gehandhabt werden dramatisch verändern. Es wird zwar einige Veränderungen geben und Auswirkungen auf einige Kämpfe haben, aber nicht auf die Kriege.

Manche haben argumentiert, dass der Schwur hauptsächlich symbolisch ist. Dem stimme ich nicht zu. Die Auswirkungen reichen viel weiter als PR, ein Symbol oder oberflächliche Elemente. Der Schwur ermöglicht das übliche Geschäft unter einem anderen Namen, etwas das nicht nur so schon problematisch ist, sondern auch ausreicht, andere Bereiche noch weiter zu verkomplizieren.